Chemikalien, die Nanomaterialien enthalten, werden durch folgende Regelungen auf österreichischer bzw. europäischer Ebene teils allgemein, teils speziell geregelt:
REACH-Verordnung
Nanospezifische Anpassung des EU-Chemikalienrechts
Mit der nano-spezifischen Anpassung der europäischen Chemikalienverordnung REACH gelten nun klarere Regeln für Nanomaterialien auf dem europäischen Markt. Hersteller und Importeure von Nanomaterialien müssen ab 1. Jänner 2020 nanospezifische Daten für deren Registrierung erfassen und für die Bewertung der Risiken für Mensch und Umwelt berücksichtigen.
Obwohl Nanomaterialien als chemische Stoffe von der europäischen Chemikalienverordnung REACH als abgedeckt galten, fehlten bisher nanospezifische Vorgaben in der Datenerfassung für die Risikobewertung von Nanomaterialien. Da Nanoformen eines Stoffes andere Gefahren und ein anderes Verhalten gegenüber Mensch und Umwelt als größerskalige Ausprägungen desselben Stoffes aufweisen können, sind diese nanospezifischen Informationen notwendig, um die dadurch möglicherweise veränderten Risiken für Mensch und Umwelt durch deren Verwendung abschätzen und kontrollieren zu können.
Nach mehreren Jahren der Diskussion mit europäischen ExpertInnen in diversen Gremien veröffentlichte die Europäische Kommission am 4. Dezember 2018 die Anpassungen der REACH-Verordnung. Die Hersteller und Importeure von Nanomaterialien als auch weitere Akteure der Lieferkette müssen nun ab 1. Jänner 2020 die neuen Anforderungen anwenden: Die Überarbeitungen der REACH-Verordnung betreffen die Anhänge: I, III, sowie VI - XII. In Anhang VI der REACH-Verordnung wurde die Definitionsempfehlung der Europäischen Kommission zu Nanomaterialien in aufgenommen.
Für Nanoformen müssen nun definierte Parameter wie z.B. eine Partikelgrößenanzahlverteilung angegeben werden. Zudem sollen vermehrt Daten erbracht werden, die allfällige Schädigungen beim Einatmen der Nanoformen aufzeigen können. Das Verhalten von Nanomaterialien im menschlichen Körper soll ebenso untersucht werden. Im Hinblick der Gefahren für die Umwelt gibt es nun einen Fokus auf Langzeitdaten bei Nanoformen und gesonderte Anforderungen im Gegensatz zu größerskaligen Partikeln zur Überprüfung des Verhaltens von Nanoformen in der Umwelt.
Ebenso zu berücksichtigen ist, dass die Anforderungen an Testungen zur Abschätzung von Risiken für Mensch und Umwelt zwischen Nanoformen und den größerskaligen Ausprägungen unter Umständen verschieden sind. Ein möglicher Grund ist, dass gewisse Testsysteme bei Nanomaterialien nicht funktionieren wie etwa beim herkömmlichen Mutagenitätstest, einem Test, der Rückschlüsse auf die mögliche Gefahr von Erbgutveränderungen erlaubt.
Diese nanospezifischen Anforderungen der REACH-Verordnung können jetzt schon bereits von den Herstellern und Importeuren von Nanomaterialien auf freiwilliger Basis angewendet werden.
Weitere Informationen in Bezug auf die Verordnung zur Änderung der oben erwähnten REACH-Anhänge.
Weiterführende Informationen zu "Regulierung von Nanomaterialien im Rahmen von REACH"
Unklarheit bei der Einordnung von Multikomponenten-Nanomaterialien unter REACH
Zunehmend werden etwa in der Elektronik oder in der Medizin sogenannte Multikomponenten-Nanomaterialien (MCNM) eingesetzt, die aus mehreren nanoskaligen Bestandteilen bestehen und verbesserte Eigenschaften aufweisen, die mit einem Material allein nicht erzielt werden können. Ein Bespiel dafür sind etwa Kern-Schale-Nanopartikel mit einem Kern aus Eisenoxid und einer Schale aus einem Polymer für biomedizinische Anwendungen. Die zunehmende Komplexität solcher Kompositmaterialien stellt die Regulierung vor neue Herausforderungen.
Die EU-Chemikalienverordnung REACH regelt, wie Chemikalien registriert und bewertet werden müssen. Dabei ist entscheidend, ob ein Produkt als Stoff, Gemisch oder Erzeugnis gilt, denn davon hängen die Pflichten der Hersteller und Importeure ab.
Doch bei MCNM ist die Einordnung oftmals schwierig, wie ein Expert*innenteam des EUON in seiner Stellungnahme festhält. Wird ein MCNM als Stoff betrachtet, dann muss die gesamte Struktur als eine Einheit registriert und bewertet werden. Als Gemisch jedoch die Einzelkomponenten separat. Ob es sich bei einem MCNM nun um einen Stoff oder um ein Gemisch handelt, hängt davon ab, ob chemische Verbindungen zwischen den Komponenten vorliegen. Der Nachweis dafür ist aber oft schwer zu erbringen.
Seit einer Änderung der REACH-Anhänge im Jahr 2020 müssen auch Nanoformen eines Stoffes registriert werden, da sich diese in ihren Eigenschaften und Risiken von der nicht-nanoskaligen Form unterscheiden können. Ob ein Partikel als Nanoform gilt, hängt dabei von seiner äußeren Partikelgröße ab. Doch auch hier gibt es Probleme bei MCNM, denn ein Kern-Schale-Partikel kann zum Beispiel einen nanoskaligen Kern aufweisen, überschreitet aber durch seine Schale die für Nanomaterialien festgelegte Maximalgröße von 100 nm. Das ganze Partikel gilt dann nicht mehr als Nanopartikel, trotz nanoskaliger Funktion.
Für Unternehmen ist es aber essenziell, ihre Produkte korrekt als Stoff, Gemisch oder Erzeugnis einzuordnen und dabei insbesondere die speziellen Regeln für Nanomaterialien zu beachten, hält das Expert*innenteam des EUON fest. Die aktuelle REACH-Gesetzgebung und die begleitenden Leitlinien lassen jedoch erhebliche Interpretationsspielräume zu, insbesondere bei komplexen Nanomaterialien wie MCNM. Eine fehlerhafte Einordnung kann zu unnötigen Kosten oder regulatorischen Problemen führen. Künftige Überarbeitungen der REACH-Verordnung sollen zwar Klarheit schaffen, es bleibt aber fraglich, ob die hier aufgezeigten Probleme vollständig adressiert werden.
Regelungen zu Chemikalien ff.
"CLP-Verordnung"
Die Verordnung VO (EG) Nr. 1272/2008 regelt die Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung von chemischen Stoffen und Gemischen. Nanomaterialien sind hier nicht spezifisch geregelt.
Pflanzenschutzmittel
Pflanzenschutzmittel müssen nach der Verordnung für das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln (VO (EG) Nr. 1107/2009) und dem österreichischen Pflanzenschutzmittelgesetz (BGBl I Nr.10/2011 idgF) zugelassen werden. Die Gesetzestexte enthalten keine nanospezifischen Regelungen. Bei der Zulassung wird bewertet, ob das Pflanzenschutzmittel etwaige Risiken aufweist und ob Mensch, Tier und Umwelt ausreichend geschützt sind.
Biozide
Die Bereitstellung von Biozidprodukten wie z.B. Schädlingsbekämpfungs-, Desinfektions- oder Holzschutzmitteln auf dem Markt sowie ihre Verwendung werden ab September 2013 durch die EU-Verordnung für Biozide (VO (EU) Nr. 528/2012) geregelt, die neu auch nanospezifische Bestimmungen enthält.
So wurde festgelegt, dass die Zulassung eines Wirkstoffes nicht mehr automatisch auch den Wirkstoff in Nanoform umfasst. Daher werden in Zukunft bei der Wirkstoffgenehmigung und der Produktzulassung Nanomaterialien gesondert bewertet.
EU-Verbot von Nanosilber in bestimmten Biozidprodukten – Keine Verwendung in Frischhaltedosen, Socken oder Corona-Schutzmasken
Partikel von reinem Silber mit einem Durchmesser unter 100 Nanometern werden auch als Nanosilber bezeichnet. Werden diese Teilchen fein in Wasser verteilt, spricht man auch von „kolloidalem Silber“. Seit der Antike wird Silber aufgrund seiner antibakteriellen Eigenschaften genutzt. Aufgrund der Entwicklung von Desinfektionsmitteln und Antibiotika mit besserer Wirkung, hat Silber aber zunehmend an Bedeutung verloren. Nur in wenigen Anwendungsbereichen in der Medizin, etwa bei der Versorgung von Brandwunden, wurden silberhaltige Arzneimittel weiter eingesetzt. Erst durch die Herstellung von Nanosilber erlebte das Material in den letzten Jahren auch in verschiedenen Konsumprodukten wieder eine Renaissance (siehe dazu auch „Anwendungen“). Zum einen, weil sich Nanosilberpartikel gut in verschiedene Materialien wie Kunststoffe, Textilfasern, Farben, Lacken oder Kosmetika einarbeiten lassen und zum anderen, weil die kleinen Silberpartikel durch die langfristige Abgabe von aktiven Silberionen auch eine gute antimikrobielle Wirkung aufweisen. Die breitflächige Anwendung von Nanosilber in Alltagsprodukten ist jedoch aus gesundheitlichen und Umweltschutzgründen nicht unbedenklich. Weitere Informationen dazu finden Sie in einer Studie des Gesundheitsministeriums.
Soll Nanosilber als Biozid in Produkten eingesetzt werden, wird dies in der EU durch die „Biozidverordnung“ (EU-Verordnung Nr. 528/2012) geregelt und vor einer Verwendung muss von den Herstellern um eine Zulassung angesucht werden. Nanosilber wurde von der Europäischen Chemikalienagentur (ECHA) im Rahmen des Prüfprogramms von Wirkstoffen in Biozidprodukten geprüft. Auf Basis dieser Überprüfung beschloss die Europäische Kommission im August 2021 Silber als Nanomaterial in bestimmten Produktarten nicht zu genehmigen (Durchführungsbeschluss 2021/1283).
Folgende Produktarten sind von diesem Verbot betroffen:
- Desinfektionsmittel und Algenbekämpfungsmittel, die nicht für eine direkte Anwendung bei Menschen und Tieren bestimmt sind. Dazu zählen z. B. Produkte zur Desinfektion von Schwimmbädern, Klimaanlagen und Aquarien. Auch Textilien und Stoffe dürfen mit Nanosilber-haltigen Produkten nicht behandelt werden, um diesen Desinfektionseigenschaften zu verleihen. Davon betroffen sind etwa Gesichtsmasken zum Schutz gegen das Corona-Virus.
- Produkte zur Desinfektion von Gegenständen, Behältern, Oberflächen oder Leitungen, die zur Lagerung, Herstellung, Transport oder Verzehr von Lebens- oder Futtermitteln (einschließlich Trinkwasser) Verwendung finden. Dazu zählen z. B. Besteck, Geschirr oder Frischhaltedosen.
- Ebenfalls verboten ist eine Verwendung von Bioziden mit Nanosilber als Schutzmittel für Fasern, Leder und polymerisierten Materialien, um diese vor einem Befall mit Mikroorganismen zu schützen und damit schlechte Gerüche zu verhindern. Somit ist eine Verwendung von Nanosilber z. B. in Sportbekleidung, Socken oder Schuheinlagen untersagt.
Expert*innengruppe zu Nanomaterialien der Europäischen Chemikalienagentur ECHA
Die Umsetzung der für Nanomaterialien vorgeschriebenen Bestimmungen in den Verordnungen für Chemikalien (REACH, CLP) und Biozide (Biozidprodukte-Verordnung) stellt die Regulierungsbehörden vor technische und wissenschaftliche Herausforderungen. Die ECHA koordiniert deshalb eine Expert*innengruppe zu Nanomaterialien bestehend aus Vertreter*innen der zuständigen Behörden in den EU-Mitgliedsstaaten, der Europäischen Kommission, der Europäischen Lebensmittelsicherheitsbehörde EFSA und Interessensverbänden, um einen Konsens zu offenen Fragen etwa bei der Registrierung und Beschreibung von chemischen Stoffen oder der Bewertung von Umwelt- und Gesundheitsgefahren durch Nanomaterialien zu erreichen. Berichte der Sitzungen der Expert*innengruppe, die zweimal jährlich stattfinden, sind öffentlich zugänglich.