Die Nanotechnologie hat auch bereits Einzug in die Bauwirtschaft gehalten und es gibt am Markt einige Produkte mit verbesserten oder neuen Eigenschaften. Doch wie auch in anderen Bereichen bedeutet "nano" bei Baumaterialien nicht unbedingt, dass diese auch Nanomaterialien enthalten. Die Herstellungsverfahren und verwendeten Materialien sind auch hier sehr unterschiedlich.

 

Ultrahochfester Beton (Ultrahochleistungsbeton)

Dieser neuartige Beton zeichnet sich durch besondere Festigkeit und Dauerhaftigkeit aus, dennoch ermöglicht er die Errichtung von besonders leichten Bauwerken, etwa von Brücken. Die Eigenschaften erhält dieser Beton unter anderem durch die Zugabe von Siliziumdioxid-Nanopartikeln.

 

Reparaturmörtel, Fliesenkleber

Solche Produkte, die mit "nano" beworben werden und in Baumärkten erhältlich sind, zeichnen sich laut Herstellerangaben durch besondere Festigkeit und geringe Rissneigung auf. Diese verbesserten Eigenschaften ergeben sich allerdings nicht durch die Zugabe von Nanopartikeln, sondern durch spezielle Zusätze, welche die Dichte der Zementpaste nach dem Austrocknen erhöhen.

 

Isolierglas mit Aerogel

Isolierglas mit Aerogel ist ein besonders leichtes Material, das z.B. aus Kieselsäure hergestellt werden kann. Das Gel wird in einem speziellen Verfahren getrocknet, sodass eine Art fester Schaum entsteht, der zu mehr als 90% aus Luft besteht. Sind die Poren nur wenige Nanometer groß, spricht man auch von Nanogel. Aerogel kann zwischen zwei Fensterglasscheiben eingefüllt werden.

Infrarotstrahlen (Wärmestrahlung der Sonne) und auch Schall werden von solchen Verglasungen gut abgehalten. Allerdings ist Aerogel nicht durchsichtig, sodass sich ein Effekt wie bei "Milchglas" ergibt.

 

Dämmmaterialien

Zwei Neuerungen, die der Nanotechnologie zugerechnet werden, ermöglichen eine Wärmedämmung bei Gebäuden, bei denen eine herkömmliche Außendämmung nicht möglich ist (z.B. bei Altbauten mit verzierter Fassade) und erreichen dabei sehr gute Dämmwerte:

 

  • Aerowolle: Aus einer Kombination von Aerogel (siehe oben) und Steinwolle wird die sogenannte Aerowolle hergestellt und in dünne Gipsplatten eingearbeitet, die zur Innendämmung verwendet werden können.
  • Vakuum-Isolationspaneele: Bei diesen speziellen Dämmplatten werden Nanopartikel aus Siliziumdioxid, Graphit bzw. Siliziumcarbid unter Vakuum in Folien eingeschweißt. Die Platten sind sehr dünn und eignen sich speziell für eine platzsparende Wärmedämmung im Innen- und Außenbereich.

 

Latentwärmespeicher ("Phase Change Materials", PCM)

Vor allem in Dachbodenausbauten oder in Gebäuden, die in Leichtbauweise errichtet wurden, kann es im Sommer sehr heiß werden. Abhilfe versprechen Verputze, Ziegel, Beton- oder Lehmplatten, in die kleine Wachskügelchen im Nano- oder Mikrometerbereich mit einer Hülle aus Acrylglas eingearbeitet sind. Wenn das Wachs bei höheren Temperaturen schmilzt, entzieht es seiner Umgebung Wärmeenergie (Phasenwechsel). Wenn die Temperaturen wieder sinken (z.B. in der Nacht), wird das Wachs wieder fest und gibt die Wärmeenergie wieder ab.

 

Selbstreinigende Fassadenfarben

Im Handel erhältlich sind Farben, die entweder auf dem "Lotus Effekt" beruhen oder auf Basis von Photokatalyse durch Titandioxid funktionieren. Durch den Selbstreinigungseffekt sollen Fassaden länger schön und sauber bleiben.

 

Selbstreinigende Verglasungen

Ebenfalls auf Basis des photokatalytischen Effekts von Titandioxid funktionieren selbstreinigende Fenstergläser. Die Beschichtung ist dauerhaft in das Glas eingebrannt. Schmutz wird zersetzt und idealerweise mit dem nächsten Regenguss (oder mithilfe des Gartenschlauchs) abgespült. Am Markt erhältlich sind auch Produkte zur nachträglichen Versiegelung von Glas und anderen Flächen. Solche Beschichtungen haben allerdings nur eine begrenzte Lebensdauer.

 

"Anti-Graffiti-Beschichtungen"

Graffitis auf Hauswänden oder Mauern lassen sich durch neuartige Beschichtungen, die der chemischen Nanotechnologie zugerechnet werden, leichter entfernen. Auch ein Oberflächenschutz vor Schimmel, Algen- und Moosbewuchs ist möglich.

 

Baumaterialien zur Luftreinigung

Mittels Photokatalyse durch Titandioxid lassen sich auch organische Schadstoffe (z.B. Stickoxide aus Autoabgasen) aus der Luft entfernen. Betonplatten oder Pflastersteine, in die Titandioxid eingearbeitet wurde, können z.B. zur Errichtung von Lärmschutzwänden oder zur Gestaltung von öffentlichen Plätzen verwendet werden und so unter Umständen mithelfen, die Luftqualität in Ballungszentren zu verbessern. Zur Wirksamkeit fehlen allerdings noch detaillierte Studienergebnisse.

 

 

Sind solche Baumaterialien für die Gesundheit oder die Umwelt gefährlich?

ArbeitnehmerInnen im Baugewerbe sind davor zu schützen, dass sie bei der Anwendung derartiger Produkte keine Stäube oder feinste Tröpfchen einatmen, die eventuell Schädigungen an der Lunge hervorrufen (siehe "Arbeitswelt").

Für VerbraucherInnen bedeuten Baumaterialien nach derzeitigem Wissensstand keine "nanospezifische" Gefährdung für die Gesundheit, wenn die Nanopartikel fest in ein Material eingearbeitet sind (z.B. in Platten, Betonteile oder Ziegel) oder wenn das betreffende Produkt gar keine Nanopartikel enthält (wie z.B. bei Fliesenklebern oder Isolierglas mit Aerogel). Vorsicht ist allerdings geboten bei Produkten, die zur nachträglichen Oberflächenbehandlung angeboten werden (z.B. "Anti-Graffiti") und die in Sprayform aufgebracht werden. Hier ist die Gebrauchsanleitung genau zu beachten und ein Einatmen zu verhindern.

Ob von "nano"-Baumaterialien eine Gefährdung für die Umwelt ausgeht, kann derzeit nicht eindeutig beantwortet werden, da zu wenige Untersuchungen vorliegen. Nachgewiesen werden konnte jedenfalls, dass aus Fassadenfarben Nanopartikel von Titandioxid ausgewaschen werden können und über den Regenablauf in den Boden gelangen. Welche Auswirkungen dies auf die Umwelt haben kann, ist allerdings derzeit noch nicht geklärt. Offen ist auch noch die Frage, was mit den "nano"-Baumaterialien am Ende ihrer Lebensdauer passiert. Es gibt keine speziellen Regelungen für eine Entsorgung oder das Recycling.

 

Selbstreinigende, schmutz- und wasserabweisende Beschichtungen auf Basis von Nanotechnologie. NanoTrust Dossier Nr. 20, Juli 2010.

 

Nano im Baugewerbe. NanoTrust Dossier Nr. 32, Juni 2012.