Der "Lotus-Effekt"

Unter dem "Lotus Effekt" versteht man die Fähigkeit einer Oberfläche sich selbst von Schmutz zu reinigen. Entdeckt wurde diese Eigenschaft vom deutschen Botaniker Prof. Dr. Wilhelm Barthlott von der Universität Bonn bei der Lotospflanze, die in schlammigen Gewässern wächst und deren Blätter aber trotzdem immer makellos sauber sind. Der "Lotus Effekt" ist ein eingetragenes Markenzeichen.

Bei genauer Untersuchung unter dem Elektronenmikroskop entdeckte Barthlott, dass die Lotos-Blätter nicht extrem glatt sind, wie man vermuten würde, sondern stattdessen von einer Vielzahl kleiner "Noppen" überzogen und somit besonders rau sind. Gebildet werden diese kleinen Erhebungen durch Wachskristalle, die von Zellen an der Blattoberfläche produziert werden. Dieses Wachs ist stark wasserabweisend. Gerät Schmutz auf das Blatt, dann bleibt dieser nur an den Spitzen der kleinen "Noppen" liegen und kann mit dem nächsten Regenguss leicht abgewaschen werden. Der "Lotus Effekt" ergibt sich also aus der rauen und wasserabweisenden Oberfläche.

Prof. Barthlott entwickelte erste technische Ansätze, um den natürlichen "Lotus Effekt" nachzuahmen. Die Vision dabei waren Häuserfassaden, die nie schmutzig werden oder Textilien, auf denen Ketchup einfach abperlt. In Folge entstanden in Kooperation mit der Industrie einige Produkte, zum Beispiel eine Fassadenfarbe, bei der die raue Oberflächenstruktur mithilfe von Siliziumdioxid-Partikeln nachgeahmt wird. An die natürliche Selbstreinigungsfähigkeit der Lotos-Pflanze reichen die Produkte, die es derzeit auf dem Markt gibt, leider noch nicht heran. Zudem sind die technisch hergestellten Oberflächen sehr empfindlich, sodass eine Anwendung auf stark beanspruchten Oberflächen, etwa auf Textilien, noch nicht möglich ist.

 

 

"Easy-to-Clean"-Oberflächen

Vielfach werden im Handel auch Produkte mit dem Begriff "Lotus Effekt" beworben, die keinesfalls selbstreinigend, sondern bestenfalls leichter zu reinigen sind. Bei diesen ist die Oberfläche nicht noch künstlich aufgeraut, sondern im Gegenteil besonders glatt. Erreicht wird dies durch das Aufbringen einer chemischen Substanz, die entweder bereits bei Raumtemperatur trocknet, oder die industriell dauerhaft in die Oberfläche eingebrannt wird (z.B. Sanitärkeramiken). Durch die glatte, schmutz- und wasserabweisende Oberfläche, kann sich Schmutz oder Kalk nicht so leicht festsetzen und der Reinigungsaufwand wird vermindert. Solche sogenannten "Easy-to-Clean"-Oberflächen haben mit dem "Lotus Effekt" nichts zu tun.

 

 

Selbstreinigung durch Photokatalyse

Vor allem bei Glasflächen oder Fassaden ist auch eine Selbstreinigung durch den photokatalytischen Effekt von Titandioxid (in Nanoform oder größer) möglich. Entsprechende Produkte (z.B. Fensterglas, Fassadenfarben, Dachziegel; siehe "Baumaterialien") finden sich bereits seit längerem im Handel. Bei Anwesenheit von Licht und Wasser entstehen an mit Titandioxid beschichteten Oberflächen Sauerstoff- oder Hydroxylradikale, welche organisches Material, wie Schmutz, Algen, Moose oder Ruß, zersetzen können. Bei einem starken Regenguss werden die Abbauprodukte dann von der Oberfläche abgewaschen.

 

 

Antihaft-Beschichtung für Shampoo-Flaschen

Ob Shampoo, Duschgel oder Flüssigseife - immer bleibt ein Rest in den Flaschen, den man nicht mehr herausbekommt. Das ist nicht nur Verschwendung und kostet Geld, es stört auch das Recycling der Plastikflaschen. Forscher der Ohio State University in den USA haben nun ein vereinfachtes Verfahren zur Innenbeschichtung der Flaschen entwickelt, das Abhilfe schaffen könnte.

Flüssige kosmetische Reinigungsprodukte, aber auch Waschmittel für Kleidung oder Spülmittel für das Geschirr enthalten sogenannte Tenside. Diese Substanzen setzen die Oberflächenspannung von Flüssigkeiten herab und ermöglichen es, dass zwei eigentlich nicht mischbare Flüssigkeiten - wie Wasser und Öl - fein vermengt werden können. So kann das Hautfett mit Wasser abgewaschen werden oder der Fettfleck lässt sich aus der Kleidung entfernen. Die Herabsetzung der Oberflächenspannung bewirkt aber auch, dass die flüssigen Reinigungsprodukte an der Innenseite von Plastikflaschen haften bleiben.

Das Team um Prof. Bharat Bhushan, Direktor des "Nanoprobe Laboratory for Bio- & Nanotechnology and Biomimetics" an der Ohio State University (USA), hat nun eine relativ einfach Methode entwickelt, die Innenseiten von Plastikflaschen aus Polypropylen mittels Nanopartikeln aus Siliziumdioxid (SiO2) zu beschichten. Die SiO2-Partikel bilden dabei Mikrometer-große Strukturen in Y-Form, an denen die Tropfen der Flüssigseife abperlen und nicht mit der Innenseite der Flasche in Berührung kommen. Somit kann die Flasche bis zum letzten Tropfen entleert werden. So könnte verhindert werden, dass erhebliche Mengen von flüssigen Reinigungsprodukten im Müll landen. Da nur komplett gereinigte Plastikflaschen dem Recycling zugeführt werden können, wäre die neue Methode auch eine Unterstützung bei der Wiederverwertung dieser Verpackungsmaterialien.

Die Entwickler hoffen auf Lizenzverträge mit Herstellern von Plastikflaschen, sehen aber auch noch weitere Anwendungsmöglichkeiten, etwa bei biomedizinischen Produkten oder Kathetern.