Medizin

 

Die Medizin setzt hohe Erwartungen in den Einsatz von Nanotechnologien, sowohl in der Diagnose, aber auch in der Therapie (Arzneimitteln) von Krankheiten und bei der Verbesserung von Prothesen und medizinischen Implantaten. An vielen Einsatzmöglichkeiten wird geforscht, bis die Produkte allerdings auf dem Markt sind, können noch einige Jahre vergehen. Derzeit gibt es nur wenige nanotechnologische Anwendungen im medizinischen Bereich.

 

Warum Nanotechnologien im medizinischen Bereich?

Lebensnotwendige Vorgänge im menschlichen Körper wie die Aufnahme, der Transport und die Umwandlung von Stoffen spielen sich auf Zellebene ab. Auch viele Krankheiten, die auf dieser Ebene entstehen, sollen nun gezielt mit Werkzeugen in Nanogröße diagnostiziert und behandelt werden.

 

Können Krankheiten früher erkannt werden?

Je früher eine Krankheit erkannt wird, umso höher sind die Heilungschancen. Hier verspricht der Einsatz von Nanotechnologien große Fortschritte, denn Nanosensoren könnten bereits sehr kleine Veränderungen im Körper nachweisen, bevor überhaupt erste Symptome der Krankheit auftreten. Farbstoffe zu diagnostischen Zwecken können zielgenau an den gewünschten Ort im Körper gebracht werden.

Neue Methoden zur früheren Erkennung von Krankheiten können mit Hilfe von Nanotechnologie entwickelt werden.

 

Welche Vorteile könnte die Anwendung von Nanotechnologie in der Therapie und bei Medikamenten bieten?


ExpertInnen der Medizin erhoffen sich durch die Nutzung der Nanoeigenschaften von Materialien bei Medikamenten folgende Vorteile:
 

  • Trägersysteme und Transport von Wirkstoffen: Mit Hilfe von Nanopartikeln können medizinische Wirkstoffe (ähnlich wie bei Lebensmitteln und Kosmetika) zielgerichtet dorthin im Körper transportiert werden, wo sie ihre Wirkung entfalten sollen. Nanopartikel können auf Grund ihrer geringen Größe auch natürliche Schranken im Körper überwinden. Dies macht ihren Einsatz auch interessant für die Behandlung von neurologischen Krankheiten (wie Alzheimer), da sie unter anderem auch die Blut-Hirn-Schranke überwinden können.
  • Schutz des Wirkstoffes/Reduktion der erforderlichen Wirkstoffmenge/Verabreichung schwerlöslicher Wirkstoffe: Wirkstoffe sind oft nicht sehr stabil. In so einem Fall lassen sich Nanopartikel zur Stabilisierung bzw. auch zum Schutz der Wirkstoffe einsetzen. Dies ist möglich durch Einkapselung der Wirkstoffe (vgl. Einkapselung bei Lebensmitteln und Kosmetika). So kann ein Abbau an einem Ort im Körper verhindert werden, an dem der Wirkstoff zu unerwünschten Nebenwirkungen führen würde. Ebenso kann weniger Wirkstoffmenge eingesetzt werden, da der Wirkstoff gezielt und geschützt an den richtigen Zielort (wie z.B. eine Krebszelle) transportiert werden kann. Dies führt zu einer besseren Verträglichkeit von Therapie, aber auch von Diagnoseverfahren. Außerdem können schwerlösliche Wirkstoffe mit Hilfe der Nanotechnologie wirksamer verabreicht werden.
  • Verzögerte Freisetzung von Wirkstoffen: Es gibt Anwendungen, die es möglich machen, dass Wirkstoffe nicht auf einmal freigesetzt werden, sondern über längere Zeiträume in „kleinen Häppchen“ dosiert abgegeben werden.
  • Reaktion auf körpereigene Signale: es wird daran geforscht, dass Trägersysteme auf körpereigene Signale reagieren - und so bei Bedarf den Wirkstoff freigeben. Würde beispielsweise der Blutzuckerspiegel eines Diabetes-Patienten steigen, würde automatische Insulin freigesetzt werden.


Forschungsergebnisse zeigen, dass Nano-Eisenoxidpartikel gezielt zur Behandlung von Krebs eingesetzt werden können. Bei der Behandlung von Krebs ist es wichtig, krankes Gewebe möglichst vollständig zu entfernen, gesunde Zellen sollen jedoch erhalten bleiben. Magnetische Nanopartikel aus Eisenoxid können sich speziell an erkranktes Gewebe (wie z.B. Tumoren) anlagern und können dieses dann mit Hilfe von elektromagnetischen Schwingungen zerstören. Gesunde Zellen werden dabei nicht beeinträchtigt. Eine solche Nanopartikel-vermittelte Tumortherapie wurde schon zugelassen und ist in Anwendung.

 

Wie werden Implantate (z.B. Zahnimplantate, künstliche Gelenke) verbessert?

Implantate können vom menschlichen Körper abgestoßen werden. Mit der Zeit kann es auch zur Abnutzung des Implantats kommen. Studien zeigten, dass Implantate, die mit einer nanoskaligen Beschichtung überzogen sind, vom menschlichen Körper besser angenommen und vertragen werden. Durch die Zusatzbeschichtung sind die Implantate stabiler und härter und somit haltbarer.
Auch Katheter und Stents (Gefäßstützen), die bei Herzoperationen eingesetzt werden, können mit Nanomaterialien beschichtet werden. Diese Nanobeschichtungen versprechen eine erhöhte Stabilität und bessere Verträglichkeit.
Außerdem können Implantate und Katheter auch mit Nanosilber beschichtet sein, das gegen Keime wirkt.

Grundsätzlich unterliegen alle Produkte im medizinischen Bereich einer strengen Nutzen-Risiko-Bewertung. Allen nanotechnologischen Anwendungen ist gemeinsam, dass jedes einzelne Produkt für sich individuell angesehen wird (Fall-zu-Fall) und die auch der Anwendung möglichen resultierenden Folgen bewertet werden.
Neben den rechtlichen Voraussetzungen spielt hier die europäische Arzneimittelagentur EMA zusammen mit den nationalen Arzneimittelbehörden eine zentrale Rolle.

 

Nanopartikel aus Cerium und Bioglas gegen multiresistente Bakterien

Die steigende Zahl von Bakterien gegen die Antibiotika nicht mehr wirksam sind, wird weltweit zunehmend zu einem schwerwiegenden Problem im Gesundheitswesen. Diese sogenannten multiresistenten Bakterien verursachen alleine in Europa rund 33.000 Todesfälle jährlich. Das Bakterium Staphylococcus aureus gehört etwa zu dieser Gruppe und kann verschiedene schwere Krankheiten verursachen. Es kann nicht nur eine Resistenz gegenüber Antibiotika entwickeln, sondern sich auch innerhalb von menschlichen Zellen verstecken, wo es von Antibiotika kaum erreicht werden kann. Die Entwicklung eines Arzneimittels gegen das Bakterien keine Resistenzen entwickeln können und welches innerhalb der Zellen seine Wirkung entfalten kann, wäre somit ein wichtiger Schritt bei der Bekämpfung von Infektionen mit multiresistenten Krankheitserregern.

Schweizer ForscherInnen ist es nun gelungen solche Nanopartikel aus dem Metall Cerium in Kombination mit einem biologisch abbaubaren Trägermaterial, dem sogenannten Bioglas, das bereits in der Biomedizin angewendet wird, herzustellen und seine Wirksamkeit im Labor gegen Bakterien auch innerhalb von Zellen zu belegen. Andere Möglichkeiten, etwa die Verkapselung von Antibiotika in Lipiden oder Polymeren, wurden in Vergangenheit schon getestet, zeigten aber geringen Erfolg. Auch andere Metalle, wie zum Beispiel Nanosilber, wurde n aufgrund ihrer antimikrobiellen Wirkung schon getestet. Nanosilber zeigt aber eine gewisse Toxizität auf menschliche Zellen. Cerium und Bioglas sind hing egen sehr gut verträglich. Der genaue Mechanismus, wie diese Substanzen gegen Bakterien wirken, ist bislang noch nicht bekannt. Da Bakterien jedoch im Gegensatz zu den Zellen von Säugetieren über eine Zellwand verfügen, wird vermutet, dass Cerium und Bioglas in dieser die Bildung von Sauerstoffradikalen verursachen, welche die Bakterien schädigen.

Auch wenn diese ersten Ergebnisse vielversprechend sind – bis jedoch ein Arzneimittel auf Basis von Nanopartikeln aus Cerium und Bioglas zugelassen werden kann, ist noch viel Forschungsarbeit notwendig. Die Wirksamkeit und Unschädlichkeit müssen noch weiter untersucht werden.

Mit Nanopartikeln gegen gefährliche Bakterien. EMPA, 22.4.21.